12. August 2019

Wir sind in Klaipeda, früher Memel, gelegen am Mündungsgebiet des Flusses Nemunas, der früher ebenfalls Memel hieß… bekannt aus dem Deutschlandlied und dem Versailler Vertrag. Heute war ein Fahrtag und wir sind auch nicht mehr in Lettland sondern in Litauen. In mancher Hinsicht macht das schon nen spürbaren Unterschied, in mancher eher nicht.
Nach dem Frühstück sind wir heute morgen im Zentrum von Riga aufgebrochen. Ich war ein bisschen überrascht von der eher mediterranen Fahrweise der Letten, aber hab mich dann einfach angepasst. An die Geschwindigkeitsbegrenzungen habe ich mich aber den ganzen Tag brav gehalten und werde mich auch weiter dran halten, egal von wievielen Leuten ich überholt werde. Die Polizei soll in keinem der drei Länder Spaß verstehen, wenn man zu schnell ist und Blitzekisten gibt es an allen Ecken.
Wenn man einmal die „Groß“stadt Riga hinter sich hat, ist das Autofahren hier ziemlich entspannt. Man fährt recht langsam, 90 auf der Landstraße, maximal 110 auf Straßen mit geteilten Fahrspuren. Oft geht es etliche Kilometer ohne eine einzige Kurve. Noch dazu ist die Gegend in Lettland richtig flach. Erst ab der litauischen Grenze beginnt das Terrain ein paar Wellen zu werfen und wird etwas hügeliger.
Unser erstes Ziel heute war der Berg der Kreuze. Dieser Wallfahrtsort gilt als das Nationalheiligtum Litauens. Nachdem Litauen im 19. Jahrhundert unter russische Herrschaft gekommen war, begannen die Litauer, an dieser Stelle Kreuze für gefallene Freiheitskämpfer aufzustellen. Später wurden die Kreuze vor allem als Bitte oder Dank gestiftet. Während der sowjetischen Herrschaft haben die Russen mehrfach versucht, das Aufstellen der Kreuze zu unterbinden, in dem sie in großangelegten Aktionen die Kreuze entfernen oder zerstören ließen… nur um teilweise schon am nächsten Tag neue Kreuze auf dem Hügel wiederzufinden. Dadurch wurde der Hügel auch ein Berg für die nationale Unabhängigkeit. Heutzutage kommen immer noch viele Pilger aus der ganzen Welt hierher. Wenn man will, dann kann man bei den Devotionalienhändlern neben dem Informationszentrum Kreuze zum selber beschriften kaufen.
Ungefähr zwei Stunden hat die Fahrt von Riga zum Berg der Kreuze gedauert. Hier war viel los, der Parkplatz war voll, inklusive mehrerer Reisebusse. Wir sind gemütlich zu dem mit Kreuzen bedeckten Hügel spaziert und ich bin auch die paar Meter über die Holztreppe bis oben auf den Hügel gestiegen und zwischen den Kreuzen spazieren gegangen. Ist schon ein bisschen eigenartig. Von winzig klein bis richtig dick und groß findet man alle möglichen Formen und Variationen von Kreuzen, zum Teil auch noch mit Rosenkränzen behängt. Das Bild des Tages gibt nen kleinen Eindruck, aber der gesamte Hügel ist mit Kreuzen bedeckt, die noch etliche Meter weit rund um den Fuß des Hügels in die Landschaft hinein zu wachsen scheinen. Meine Schätzung: es sind hunderttausende. Das Bild des Tages ist übrigens mit der Handy-Kamera gemacht. Der Akku meiner Panasonic wurde nämlich direkt zu Beginn unseres Besuches am Berg der Kreuze leer und der Reserve-Akku hat den Dienst nicht angetreten. Mist. Aber ich finde das Bild ist trotzdem okay.
Vom Berg der Kreuze ging es weiter nach Westen. Wir haben einen Abstecher in den Žemaitija-Nationalpark gemacht. Fragt mich nicht nach der Aussprache. Mit den Sprachen ist das hier ein echtes Kreuz. Zum Teil kann man die langen komplizierten Wörter auf Hinweis-Schildern gar nicht so schnell erfassen, wie es dauert, dran vorbei zu fahren. Und Ihr müsstet erst mal hören, wie das Google Maps auf meinem Handy versucht, die Straßennamen hier auszusprechen.
Das Spannende an dem kleinen Exkurs heute nachmittag war, dass wir so auch ein bisschen mehr vom ländlichen Litauen zu sehen bekommen haben. Auf der Autobahn oder Schnellstraße hat man ja doch einen klaren inneren Abstand zu der Landschaft, die vorbeizieht. Es ist echt ne schöne Gegend hier, vor allem da es nicht mehr so flach ist. Etliche Häuser in den kleinen Dörfern sind zwar renovierungsbedürftig, aber grundsätzlich ist alles ziemlich proper. Der Hauptort am Nationalpark ist Plateliai. Ausgestiegen sind wir im Nationalpark aber nicht, und außer Landschaft haben wir auch nix zu sehen bekommen. Okay, Störche. Litauen ist das Land mit dem dichtesten Bestand an Weißstörchen in Europa. Man sieht sie echt überall.
Nach dem Schlenker über Land ging es weiter in Richtung Ostsee. In Kretinga waren wir kurz im Supermarkt und dann sind wir nach Klaipeda gefahren. Klaipeda ist mit gut 150.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt Litauens. Ähnlich wie in Riga ist das Stadtzentrum klein und kompakt. Wir sind vom Quartier in die Altstadt gegangen und ein bisschen am Fluss Dane entlang spaziert.  Dann gab es Abendessen in einem litauischen Restaurant… wo uns die Speisekarte schon vertraut war, denn allen Bekräftigungen nationaler Eigenständig- und Eigenartigkeit zum Trotz scheinen lettische und litauische Küche einer SEHR große Schnittmenge zu haben. Gut schmecken tut‘s natürlich trotzdem.
Zum Schluss des Tages haben wir noch dem Simon Dach-Brunnen auf dem Theaterplatz einen Besuch abgestattet. Der Brunnen, mit der Bronzefigur des „Ännchen von Tharau“ oben drauf, erinnert an den Dichter dieses bekannten deutschen Liedes, der 1605 in Memel geboren wurde.
Morgen fahren wir auf die Kurische Nehrung. Ich denke, dann werden wir endlich die Ostsee zu sehen kriegen.

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