Ostersonntag 2017

Granada, Nicaragua... viertel nach sieben am Ostersonntagabend. Ich sitze in der wirklich sehr schönen Bar des Hotel El Club, und lasse den Tag Revue passieren. Es passiert so viel, dass man kaum mitkommt. Da ist das abendliche Reiselogbuchschreiben, auch wenn's ein bisschen Mühe und Zeit kostet, eine echte Hilfe... und was auch hilft ist, dass die Bilder heutzutage digital und sofort verfügbar sind.
Der Tag begann heute in León mit einem Fehlschlag. Ich konnte leider nicht auf's Dach der Kathedrale. War zu. Mist. Schon um kurz nach acht bin ich vom Hotel aus dort hin spaziert, aber der Zugang zum Dach war noch verschlossen. Da hatte ich allerdings noch Hoffnung. Ich bin dann erst mal in die Kathedrale gegangen, wo der Pastor grade die flammende Auferstehungspredigt für die Ostersonntagmorgenfrühmesse hielt. Brav wie ich bin, habe ich dann erst mal keine Besichtigung während des Gottesdienstes gemacht, sondern bin noch ein bisschen durch León geschlendert, habe mir die Kirche La Recolección angesehen, und bin dann wieder am Aufgang zum Dach vorbei. Immer noch zu.
Inzwischen war die Messe zu Ende und ich habe mir die Kathedrale von innen angekuckt. Ziemlich barock und von innen cremefarben und weiß, was den Eindruck der Sahnetorte (siehe Reiselogbuch von vorgestern) bestätigte. Anschließend war ich gemütlich Kaffee trinken, mit Blick auf die Kathedrale, aber von Leuten auf dem Dach immer noch keine Spur. Naja – um die Sache abzukürzen: ich bin nicht hoch gekommen. Selbst um kurz nach elf – Roberto ist mit mir noch mal extra dort vorbeigefahren – war der Aufgang zum Dach immer noch zu. Muss ich wohl noch mal wiederkommen.
Danach ging's auf die Landstraße... ne gut ausgebaute Landstraße von durchaus bundesrepublikanischem Bundesstraßenniveau. Roberto und ich haben erzählt, er mit seinem grob gebrochenen, mit Spanisch gemischten Englisch, und ich mit immer wieder mal spanischen Brocken in mein Englisch gemischt. Kommunikation ist hier in Nicaragua immer spannend.
Gut anderthalb Stunden hat die Fahrt nach Masaya gedauert, wo wir dann, am Eingang zu einem Baumarkt, Eddy aufgesammelt haben, meinen Guide für das heutige Besichtigungsprogramm. Eddy ist ein drahtiges nicaraguanisches Jüngelchen, das mir mit seiner John Deere-Baseballkappe nicht mal bis zur Schulter reicht. Wie ich bereits erwähnt habe, kommt man hier in Nicaragua mit persönlichen Fragen schnell zur Sache, und nachdem ich den goldenen Ring an seinem Ringfinger gesehen habe, habe ich ihn dann ziemlich direkt gefragt, wie alt er ist... „32“... Mir entfuhr ein offensichtlich ziemlich ungläubiges „Oh... okayyyyy...“ was Roberto zu einem schallenden Lachanfall veranlasste. „He look bery young... hehehe...“ Allerdings. Eddy ist, wie alle Guides, die ich hier bisher hatte, als selbstständiger, staatlich anerkannter Touristenführer tätig, seit 12 Jahren in der Branche, studierter Agraringenieur, hat eine vierjährige Tochter und spricht sehr gut Englisch. „Die Frage“ hat er mir zwar nicht gestellt, aber dafür hatte Roberto mich auf der Fahrt von León nach Masaya schon ordentlich über meine Verhältnisse ausgequetscht... und ich habe mich natürlich revanchiert. Roberto ist so alt wie ich... geschieden und wiederverheiratet... hat von jeder Frau drei Kinder... seine Ex lebt in Costa Rica, wo sie wieder verheiratet ist... Roberto ist dick, gemütlich und lustig und hat seit 19 Jahren keinen Alkohol getrunken... Ihr seht – man hat hier keine Probleme, was über die Leute zu erfahren... kontaktscheu ist hier niemand und auch wenn man sonst eher zurückhaltend ist, wie ich, so lassen einem die Nicaraguaner wenig Chancen, diese Einstellung beizubehalten...
Zurück zu Eddy... Wie sich herausstellte, ist er ein passionierter Ornithologe, und kennt sich darüber hinaus auch mit Vulkanen aus. Das war heute wichtig, denn es stand die nächste Episode aus „Nicaragua – El Pais de Lagos y Volcanes“ (Land der Seen und Vulkane – wie man sich auf großformatigen Plakaten am Flughafen von Managua selbst bewirbt) auf dem Programm.
Wir sind zum Vulkan Masaya gefahren. Dieser Vulkan, den die spanischen Conquistadores „Boca del Inferno“ (Mund der Hölle) nannten, ist 1772 zum letzten Mal richtig ausgebrochen, wobei sehr eindrucksvolle Lavaströme entstanden. Seit dem gab es keine großen Eruptionen mehr, aber der Masaya mit seinen mehreren Kratern ist eigentlich ständig in irgendeiner Form aktiv. Aktuell besteht diese Aktivität aus einem kräftigen Ausstoß von vulkanischen Gasen, aber im April 2001 erwachte er plötzlich zum Leben, spuckte Steine und Asche, beschädigte mehrere Autos auf dem Besucherparkplatz oben am Kraterrand und verletzte einen Touristen. Die dazugehörigen Fotos am Eingang des Nationalparks (des ältesten von Nicaragua) sind sehr eindrucksvoll... und man denkt besser nicht genauer darüber nach, was man da sieht. Immerhin sind seitdem die Wanderwege oben am Kraterrand gesperrt und alle Autos parken auf dem Besucherparkplatz in Fluchtrichtung.
Ich bin mal wieder ein bisschen unbescheiden, wenn ich sage, dass ich grundsätzlich ja nicht so schnell zu beeindrucken bin, aber als Eddy und ich an die Mauerbrüstung am Kraterrand traten und ich da unten den rotglühenden Lavasee sah, hab ich erst mal nur „Wow“ gesagt. Eddy lachte und hat dann ein bisschen was zum Vulkan erzählt... dass der erste Absatz, den man auf dem ersten Bild des Tages unteren Rand sieht, 300m unterhalb des Kraterrandes liegt, und dass der Lavasee sich dann nochmal 200m tiefer befindet. Er hat mir die Lavatypen erklärt und ein paar 'Haare der Pele' gesammelt (die ich auch hoffentlich halbwegs heil nach Hause kriege)... Die 'Haare der Pele' (im hawaiianischen Original 'lauoho o Pele'... Pele ist die hawaiianische Göttin des Feuers, des Blitzes und des Vulkans) sind haardünne Fäden aus vulkanischem Glas (Obsidian), die sich bei Vulkanausbrüchen durch starken Wind bilden können und dann weggeweht werden und sich irgendwo sammeln. Eddy hat mir ein paar aufgelesen und auf meine Frage, ob es okay wäre, sie mitzunehmen („Ist ja immerhin ein Nationalpark“, dachte ich deutscher Touri), meinte er nur „The volcano will make more...“
Vom Masaya-Vulkan, sind wir nach Masaya in die Stadt gefahren, wo sich ein großer Markt für Kunstgewerbe befindet. Ich habe ein bisschen Souvenirshopping betrieben und Eddy ist geduldig mit mir durch die Markt-Hallen gewandert. Was ich schon mit Gustavo und Miguel erlebt hatte, das setzte sich mit Eddy fort... die Guides kennen Gott und die Welt. Kaum jemand, mit dem Eddy nicht ein paar Worte wechselte...
Nächster Stopp war am Mirador de Catarina (siehe zweites Bild des Tages), einem Aussichtspunkt mit Blick auf den Laguna de Apoyo (einen Kratersee), den Vulkan Mombacho rechts im Bild, den Nicaragua-See links im Hintergrund, und davor an seinem Ufer die Stadt Granada, mein heutiges Etappenziel. Eddy und ich haben oben auf dem Aussichtspunkt gestanden und ein bisschen erzählt über Vögel und Vulkane. Im nächsten Ort, San Juan de Oriente, haben wir noch eine Töpferwerkstatt besucht, wo die nicaraguanischen Indigenas nach den Methoden ihrer Vorfahren wie vor 3000 Jahren töpfern... okay... nicht GANZ wie vor 3000 Jahren, denn inzwischen werden Töpferscheiben verwendet. Schöne Sachen waren dabei, und ich hätte was gekauft, wenn ich gewusst hätte, wofür. Ich hab mir nämlich seit ein paar Jahren angewöhnt, den Kauf von Staubfängern als Souvenirs zu vermeiden und Sachen zu kaufen, die ich wirklich benutze...
Ja, und dann ging's nach Granada. Am Hotel habe ich mich von Eddy und Roberto verabschiedet,und bin nach einem kurzen Päuschen auf dem Zimmer in die Stadt marschiert zum Abendessen. Wieder in einem Steakhouse, aber es ist ja Ostern, da wird nicht gekleckert, sondern geklotzt. Morgen früh gibt es wieder Actionprogramm... mehr sage ich jetzt erst mal nicht... *lach...

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