5. Oktober 2023

Als ich heute morgen die Vorhänge aufzog, hatte der Himmel große blaue Flecken, auch wenn noch tiefe Wolkenfetzen in den Berggipfeln hingen. Ich war sehr gespannt ob man den Fuji sehen konnte… man konnte! *lach… sogar ein bisschen Schnee lag als kleiner weißer Kragen oben um den Kraterrand.
Um halb zehn fuhr das Hotelshuttle zum Bahnhof und ich bin vorher hier noch ein Viertelstündchen durch den Ort marschiert um eine gute Foto-Location für den Berg zu finden. Nen richtig guten Platz habe ich zwar nicht entdeckt, aber immerhin hatte ich Beweisfotos vom Berg. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass mich der Blick auf den Fuji noch mehrere Stunden begleiten würde.
Am Bahnhof in Kawaguchiko hatte ich noch etwas Zeit und habe einfach die Aussicht auf den Berg genossen. Auch heute waren wieder viele Touristen hier unterwegs und ich hatte mich schon gefreut, dass der Sitzplatz im Bus neben mir frei blieb als wir los fuhren. Immerhin waren es anderthalb Stunden Busfahrt, die ich vor mir hatte. Leider stieg am nächsten Stopp dann aber doch jemand ein, der den Platz neben mir zugewiesen bekommen hatte.
Der Bus war ein bequemer Fernreisebus, und auch wenn ich den Rucksack an meinen Füßen deponieren musste, habe ich gut gesessen. Als ich das Ticket vorgestern online gebucht habe, habe ich mir bei der Sitznummer nichts gedacht. Sitz 10D bedeutete aber, dass ich auf der rechten Seite am Fenster saß und während der ganzen Fahrt den Berg im Blick halten konnte. Die Strecke könnt Ihr auf der Karte wieder nachvollziehen. Die Busetappe ist in hellerem und die Zugstrecke in dunklerem Blau.
Der Fuji ist mit 3776m der höchste Berg Japans und ein klassischer Schichtvulkan, wie es sie auf dem pazifischen Feuerring zu Hauf gibt. Der letzte Ausbruch, in einem Nebenkrater, war im Jahr 1707. Seitdem schlummert der Berg vor sich hin. Den Fuji in seiner heutigen Gestalt gibt es seit ungefähr 10.000 Jahren. Was soll man sagen? Es ist ein geradezu archetypischer Vulkan. Echt richtig schön – auch mit wenig Schnee.
Auf die Minute pünktlich hielt unser Bus in Mishima am Bahnhof. Hier hatte ich ne halbe Stunde Zeit, mir die Sitzplatzreservierungen für meine Züge zu organisieren. Dieses Mal war ich erfolgreicher als vorgestern in Shinjuku, aber noch nicht hundertprozentig erfolgreich. Der Automat hat zwar meinen JR Pass problemlos gelesen und akzeptiert, aber ich hatte erstmal nur eine Reservierung für meinen ersten Zug getätigt (ich musste einmal umsteigen) und dann funktionierte die Sitzplatzreservierung für den zweiten Zug nicht. Ich habe zwar dann raus gefunden, dass ich auch für eine Umsteigeverbindung eine Zugreservierung vornehmen kann, aber da wurde die Maschine dann bockig. Also bin ich wieder zum Schalter. Der freundliche JR Mitarbeiter hat mir ausgeholfen und für die nächsten Zugfahrten bin ich jetzt – toitoitoi - gewitzt.
Der erste Abschnitt der Zugfahrt ging von Mishima nach Shizuoka, mit dem Kodama-Shinkansen. Shinkansen sind die japanischen Hochgeschwindigkeitszüge, vergleichbar mit dem ICE bei uns oder dem TGV in Frankreich. So richtig groß, finde ich, ist der Unterschied zu unseren Zügen nicht. Man sitzt sehr bequem, es gibt wenig Platz für Gepäck, und auch die Zugklos sind problemlos vergleichbar. Die viel gerühmte Pünktlichkeit der japanischen Bahn konnte ich heute in Aktion erleben, und mir sind auch die Gründe dafür sofort klar geworden. Der wichtigste – und das wird die Deutsche Bahn in absehbarer Zeit gar nicht erreichen können – ist die komplette Trennung von Hochgeschwindigkeitsnetz und restlichem Schienenverkehr. Hier in Japan können sich die beiden schon einfach deshalb nicht in die Quere kommen, weil sie unterschiedliche Spurweiten haben (da habe ich vorgestern schon ein bisschen zu erzählt). Ein weiterer Grund ist die Trennung in schnelle Shinkansen und Bummel-Shinkansen. Ich bin heute zweimal mit dem Bummel-Shinkansen gefahren. Nicht falsch verstehen, der fährt auch 250km/h plus x zwischen den Stationen, aber an den Haltepunkten gibt es ein extra Gleis an den Bahnsteigen, so dass die schnellen Shinkansen einfach auf grader Strecke und ohne Temporeduzierung durchdonnern können. Wenn der Shinkansen dann mal hält, sind die planmäßigen Haltezeiten deutlich länger als bei uns, schon mal gerne 7 bis 10 Minuten. Außerdem sind die Außentüren der Shinkansen vollautomatisch. Als Passagier für ein paar säumige Reisende nochmal schnell auf’s Knöpfchen drücken und damit den ganzen Zug aufhalten wie bei uns, das geht hier nicht. Was mir auch aufgefallen ist: der Shinkansen beschleunigt deutlich sportlicher als die ICEs. Aber das wird wahrscheinlich auch daran liegen, dass die Hochgeschwindigkeitszüge hier auf einem eigenen Schienennetz unterwegs sind.
Ich habe die Fahrt mit dem Shinkansen richtig genossen, und hatte dabei auf dem ersten Abschnitt auch noch den Panoramablick auf den Fuji. Sieht man im Bild des Tages. Was ein bisschen täuscht, ist das ganze Grün in dem Bild. Hier in Zentral-Honshu (Honshu ist die Hauptinsel Japans) wird jeder Quadratmeter Boden, der nicht zu sehr am Hang liegt, genutzt, hauptsächlich für Siedlungen, Städte und Dörfer sowie Industriegebiete, aber auch für Landwirtschaft. Reis, Gemüse, Obstbäume, aber auch Tee wird angebaut.
Zwischen Shizuoka und Kyoto gab es mit dem Hikari-Shinkansen noch eine Handvoll Stopps, unter anderem in Nagoya, bevor wir die alte japanische Kaiserstadt erreichten. Schon alles etwas kleiner hier als in Tokio… *lach…
Ich musste noch zwei Stationen mit der U-Bahn fahren und mich dann noch mit dem Trolli durch die Menschenmassen im Nishiki-Markt durcharbeiten, dann war ich an meinem Quartier. Ich wohne in einem traditionellen japanischen Gasthaus, dessen Besitzerin sehr schönes Englisch spricht. Diese mal echt traditionell. Am Fuji hatte ich ja nur ein Zimmer im traditionellen Stil in einem ansonsten „regulären“ Hotel. Im Zimmer wartete auch schon der Sammy auf mich. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie’s gewesen wäre, den die ganze Zeit mitzuschleppen. Mal abgesehen davon, dass man für große Gepäckstücke auch ne Extra-Reservierung braucht.
Nach dem Einchecken bin ich noch kurz durch den Nishiki-Markt gebummelt und zum Abendessen in einem von meinem Lonely Planet empfohlenen Ramen-Laden eingekehrt. Morgen früh beginnt die Stadterkundung von Kyoto.

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